top of page

Die geheimen Tricks der Schweden

Enthüllt: Wie Martin Haarahiltunen und Niclas Svensson aus ihrem Trainingstief kommen wollen, wie es Sturzopfer Jasper Iwema geht und wie Filip Jäger den Sturzteufel vertreiben möchte.

Still ruht das Thialf-Eisoval, als die Mannschaft von Niclas Svensson schon die Werkzeuge schwingt. Foto: Norbert Ockenga
Still ruht das Thialf-Eisoval, als die Mannschaft von Niclas Svensson schon die Werkzeuge schwingt. Foto: Norbert Ockenga

Stefan Svensson hantiert mit Kupferdraht und Kneifzange. „Mein Vater war Landwirt“, grinst der Vater von WM-Anwärter Niclas Svensson. „Der hat mir so etwas beigebracht.“


Dann schlingt er den Draht kunstvoll um den linken Lenker der Ersatzmaschine seines Sohnes. „Damit die Manschette am Griff nicht verrutschen kann“, lächelt der Exfahrer wissend.


Das Fahrerlager ist noch menschenleer an diesem Samstagnachmittag, nur der Trupp von Niclas Svensson ist schon anwesend. „Es war eine gute Idee von Dir“, lobt er Motorentuner Helmut Heimann, „hier so früh herzukommen.“


Denn es gibt viel zu schrauben.


Nach den Bedenken des Filius’ wird das Muletto-Bike besonders penibel hergerichtet: Es ist kein Notfallmotorrad mehr, das nur als Unfallersatz herhalten muss – sondern eine echte Alternative, falls Niclas Svensson im Rennen immer noch das Gefühl hat, sein Nummer 1-Maschinchen würde in den Kurven über das Vorderrad in ein stempelndes Untersteuern verfallen.

Ich sehe nur eine Person vor mir. – Jasper Iwema

Die Vorspur des Hinterrades, das im Vergleich zum Vorderrad um etwa einen Millimeter schräg zum Kurvenausgang zeigend versetzt steht, wird penibel mit einem Bindfaden vermessen. Das Motorrad wird zurückgerüstet auf jenes Vorderrad, das zuletzt in Inzell gefahren wurde. Das neue, im Training gefahren, sei noch zu neu und daher steif gewesen.


Die genauen Handgriffe werden alle in einem Video von bahndienst.com zu sehen sein, das in der Nachbetrachtung des Heerenveen-Grand Prix online gehen wird.


Spannende Einblicke in die Technik und die Detailvorbereitung. Die ist nötig geworden wegen der Skepsis, die Sohn und WM-Anwärter Niclas Svensson im letzten Video, der Trainingsnachbereitung, geäußert hat. Die Nummer 2 soll so dastehen, dass sie – vorn anders bereift, ansonsten gleich – als Alternative quasi eingewechselt werden kann.



Stefan Svensson (links) versucht, das Team von Filip Jäger von einem Reifenwechsel zu überzeugen. Foto: Norbert Ockenga
Stefan Svensson (links) versucht, das Team von Filip Jäger von einem Reifenwechsel zu überzeugen. Foto: Norbert Ockenga

Svensson sr. wird das im Video en detail erklären.


Auch einige Boxen weiter hat man auf Erkenntnisse des Trainings reagiert. Der Motorwechsel bei Martin Haarahiltunen ist vollzogen: Der Motor Nummer 2 hängt nun in Maschine Nummer 1. „Der einzige Unterschied ist die Nockenwelle“, verrät Tuner Helmut Heimann. „Die Überlagerungszeit, in der Ein- und Auslassventil gleichzeitig geöffnet sind, ist ein bisschen länger als bei dem anderen Motor. Das sorgt für einen besseren Flow“, also eine bessere Durchströmung des EInzylinderbrennraums. Deswegen ist der Motor etwas elastischer, legt jenes Plus an Durchzug an den Tag, das Haarahiltunen im Training auf seiner Ersatzmaschine positiv aufgefallen war.


Auch der WM-Spitzenreiter hat das im Video vom Training genau erklärt.


Da er das Fahrgestell der Nummer 1-Maschine besser findet, war der Motorwechsel und die neue Heirat von Rahmen und Aggregat nötig geworden. Die beiden Schweden hoffen so, für Samstagabend die Unsicherheit aus dem Training abgeschüttelt zu haben.


Quasi nebenbei hat Papa Svensson auch noch bei seinem Klubkameraden von Örnsköldsvik eingegriffen: Filip Jäger war im Training gleich drei Mal gestürzt und danach reichlich verunsichert. Svensson sr. führte das auf den Vorderreifen von Jäger zurück, mutmasste, dessen Spikes seien im falschen Abstand und Winkel, zu gerade, zueinander gesetzt worden. Svensson bot Jäger ein Rad aus seinem Repertoire an.



Der Spikebesatz ist eine Wissenschaft für sich. Stehen die Nägel zu gerade und im falschen Winkel zueinander, können sie sich in den Kurven nicht fest genug mit dem Eis verbeißen. Foto: Norbert Ockenga
Der Spikebesatz ist eine Wissenschaft für sich. Stehen die Nägel zu gerade und im falschen Winkel zueinander, können sie sich in den Kurven nicht fest genug mit dem Eis verbeißen. Foto: Norbert Ockenga


Doch Jäger entschied sich stattdessen, auf jene Bereifung zu setzen, mit der er in Inzell gefahren ist. Im Training hatte er noch brandneue Reifen versucht. Die waren auch zu steif und hatten eine zu geringe Wankbereitschaft bei der Querbeschleunigung in den Kurven an den Tag gelegt.


Auch eine weitere Baustelle ist am Sonnabend ausgeräumt worden: Jasper Iwema, im Roloef-Thijs-Pokal aufgrund eines Reifenschadens gestürzt, ist fürs Rennen wieder klar. Er sei zwar nach dem Einschlag kurz bewusstlos gewesen, gestand er noch reichlich blass um die Nase.


Ist von der Gehirnerschütterung noch etwas zu merken? Sieht er doppelt oder verschwommen, hat er einen Brummschädel? Darauf wandert sein Blick den Gesprächspartner in der bahndienst.com-grünen Dienstkleidung rauf und runter. Iwema schüttelt den Kopf und grinst: „Ich sehe nur einen Mann vor mir.“

 
 
 

Comments


bottom of page