

Warschauer Pakt
In seinem neuen Blog schildert Kai Huckenbeck eine außergewöhnliche Facette seiner Vorbereitung auf die Saison 2025.
Anders Thomsen hat mir im passenden Moment recht gegeben. „Man darf nicht übersehen“, betonte der dänische Grand Prix-Rückkehrer am Mittwoch bei einer Medienfragerunde, „dass diese Sparrings nicht unbedingt aussagekräftig sind. Wir Fahrer verdienen kein Geld, wenn wir da antreten – sondern nutzen sie in der Regel nur zur Saisonvorbereitung; um unser Material zu testen und genau zu schauen, wo wir unter Rennbedingungen stehen.“
Damit hat Anders Thomsen auch gleich meine Leistung bei den beiden Testmatches zwischen meinem polnischen Ligaklub Bydgoszcz und Częstochowa eingeordnet: Wir haben mit unserem Team beide Aufeinandertreffen gewonnen; ich konnte in beiden Matches Heats gewinnen und auch in solchen Rennen auf Platz 2 einlaufen, die mein Teamkollege gewonnen hat – also ein sogenanntes „Paid Maximum“ erzielen, weil das von der Wertigkeit her so wichtig ist auf dem Wege zu einem 5:1 Laufergebnis.
Allerdings bin ich bei beiden Sparrings auch knapp einstellig geblieben – und habe gemerkt, dass wir vom Speed auf der Bahn noch nicht da sind, wo wir eigentlich hin wollen. Mit neuen Motoren, anderen Rahmen und der Rückkehr zur digitalen Zündung, mit der ich zu Beginn der vergangenen Saison experimentiert hatte, haben wir als Team allerdings auch gleich drei große Baustellen, die wir bis zum Beginn der WM-Saison am 3. Mai in Landshut in den Griff kriegen möchten.
Deswegen hat sich bei mir durch die Sparrings und das Kriterium der Asse auf meiner polnischen Heimbahn auch meine ursprüngliche Planung verfestigt: Wir müssen die BVE-Motoren – also die Aggregate meines bisherigen Tuners Bert van Essen – unbedingt im Training von den Großen Preisen mit den Motoren von Matten Kröger gegenfahren. Nur durch solch’ einen Vergleichstest können wir vorm Grand Prix rausfinden, welche Motorvariante für welche Bahn die beste ist.
Bert van Essen hat für 2025 einen seiner Grand Prix-Piloten verloren: Jason Doyle wechselt wieder zurück zum polnischen Tuner Richard Kowalski. Das hat der Australier bei derselben Medienveranstaltung verraten, bei der Anders Thomsen die Bedeutung und den Wert der Polen-Sparrings eingeordnet hat: bei einer Zoom-Videokonferenz, zu der alle Grand Prix-Fahrer in Warschau zusammengetrommelt und mit internationalen Journalisten zusammengeschaltet worden sind.
Das Feld ist in fünf Gruppen aufgeteilt worden. Ich war in einem Rutsch mit dem versammelten dänischen Trupp dran: Anders Thomsen, dem wiedergenesenen Mikkel Michelsen, der nach seinem Riga-Crash und den bösen Oberkörperverletzungen immer noch auffällig oft die malade Schulter kreisen lassen muss, und dem ersten Reservefahrer Leon Madsen.
Natürlich haben wir mit einem Auge verfolgt, was die Fahrer aus den anderen Gruppen antworten – und wie solche Fragerunden überhaupt vonstatten gehen. So hat Phil Lanning vom „Speedway Star“ offenbar eine Geschichte recherchiert, die sich um das Aus des WM-Rennorts Cardiff und die Verlegung des Grands Prix von Großbritannien nach Manchester dreht – wo an zwei aufeinanderfolgenden Tagen je ein WM-Lauf stattfindet.
Es war interessant, wie unterschiedlich die Meinungen der Fahrer dazu ausfielen. Oder besser gesagt: die Argumentationen. Jason Doyle bedauert, dass die ganz besondere Stimmung von Cardiff – mit all’ den Bars in der Innenstadt – wegfällt. Freddie Lindgren beklagt das Fehlen des Aushängeschilds in einem großen Stadion, wie auch Jack Holder, der nun Warschau als neuen Lieblings-Grand Prix auserkoren hat.
Andere Fahrer wiederum reduzieren es auf das rein Sportliche – und freuen sich darauf, dass die Bahn in Manchester eine der besten auf der Welt sei, weil sie so viele unterschiedliche Linien zulasse und es dort immer gute und spannende Rennen gebe.
Ich bin eher auf der Seite der stoischen Sportler: Ich weiß nicht, wie die Bahn in Cardiff ganz früher gewesen ist, weil ich bis zum Vorjahr lediglich ein Mal als Zuschauer dort war. Mir hat’s im Vorjahr gefallen. Aber Manchester ist in der Tat eine der besten Rennbahnen, die ich kenne. Dass wir da einen Doppelschlag mit zwei Rennen hintereinander fahren müssen, macht’s natürlich enorm intensiv. Aber andererseits habe ich die gute Erinnerung aus dem Jahre 2024: Da sind wir mit der deutschen Nationalmannschaft beim Speedway der Nationen Vierter geworden – ich weiß gar nicht, wann es so was für ein deutsches Team zuletzt gab. Ich hoff’, ich kann das jetzt bei den beiden Grands Prix an der Hyde Road reproduzieren.
Das Schöne bei der Medienrunde: Man lernt immer was dazu. So konnte mir Moderator Paul Burbidge auf Anhieb an sich meine rhetorische Frage beantworten: Deutschland war 1997 zuletzt Vierter einer Mannschafts-WM.
Und klar war auch, dass er von mir zum Einstieg wissen wollte, wie ich meine vergangene Saison einschätze. Die ebenso offensichtliche wie ehrlich Antwort: Das war eine harte Angelegenheit, mit vielen taffen Meetings, sei es wegen Krankheit, Motor- oder Setupproblemen. Aber auch mit einigen Höhepunkten wie den Halbfinalteilnahmen. Selbst als ich in Warschau im Halbfinale stand, bin ich gestürzt – und das mich im Nachhinein analysiert doch ziemlich verunsichert.
Das Ziel für 2025 kann nur lauten, mehr von den guten Momenten mitzunehmen und dann um einen Platz unter den ersten 6 zu kämpfen.
Was auch interessant war: Auf eine Frage von bahndienst.com-Chef Norbert Ockenga antwortete Dominik Kubera, dass er sich als Grand Prix-Neuling erst an die Abläufe der WM-Veranstaltungen hätte gewöhnen müssen – weil die Renntage von morgens bis in den späten Abend dauern und daher deutlich anstrengender seien als normale Ligamatches.
Die Erfahrung, alle Abläufe für sich selbst zu optimieren und seinem Körper auch an solchen langen Tagen die nötigen Ruhephasen freizuschaufeln, musste ich auch erst sammeln. Das ist für den Erfolg in den Grands Prix ähnlich wichtig wie die reine Technik und das schiere Fahren.
An Letzterem arbeitete ich seit dem Tag nach dem Warschauer Medientermin gleich weiter: Da hatten wir mit Bydgoszcz das letzte gemeinsame Training vor dem Auftakt der polnischen Ligen am Wochenende.
Foto: FIM